Mit spitzer Feder …

    Wo der Kunde nicht König ist!

    FlixBus ist fast allen ein Begriff. Der junge Mobilitätsanbieter hat Europas grösstes Fernbusnetz geschaffen und dank einfacher Buchung und einem täglich wachsenden Angebot bietet er Millionen Reisenden die Möglichkeit, für wenig Geld die Welt zu entdecken. Ich bin noch nie mit FlixBus gereist und habe es auch nicht vor, denn ich ziehe das komfortable Reisen vor. Und wenn ich zu wenig finanzielle Mittel dafür habe, dann bleibe ich lieber zuhause – ganz einfach, weil ich keine Lust habe, im Regen stehen gelassen zu werden. Eine Busreise von Zürich nach Strassburg ab 3.50 Franken muss meiner Ansicht nach einen Haken haben. Denn, wenn ich eines im meinem über 40-jährigen Leben gelernt habe, es gibt nichts geschenkt auf dieser Welt. Aber jedem das Seine. Jedenfalls höre ich immer wieder bedenkliche «Räubergeschichten» von FlixBus-Reisenden. Jüngst hat mir eine meiner besten Freundinnen, eine Story über die Reise ihres betagten Gatten mit dem FlixBus ab Bratislava erzählt, die ich Ihnen liebe Leserinnen und Leser nicht vorenthalten kann:

    Ihr über 90-jähriger Mann reiste kürzlich in die Slowakei, um sein schriftstellerisches Werk in seiner Heimat zu archivieren. Jedenfalls benötigte er eine schnelle und günstige Fahrgelegenheit und buchte bei FlixBus – was ihm fast das Leben gekostet hätte. Auf der Heimfahrt von Bartislava durch Österreich und Deutschland in die Schweiz legte der Bus kurz vor München auf einem Rastplatz eine Pause ein. Der ältere Herr stieg aus, um sich die Beine zu vertreten und ein Mineralwasser zu kaufen. Und dann passierte das Unfassbare: Der FlixBus setzte seine Reise fort, ohne den betagten Herrn an Bord. Man stelle sich vor: Der über 90-jährige Herzpatient ohne Mantel und Gepäck gegen Mitternacht bei  Minustemperaturen auf einem Rastplatz mitten im Nirvana. Ein Bild, schlimmer als in einem schlechten Kriminalfilm. Kurz darauf kam per Zufall ein anderer FlixBus, welcher den älteren Herrn wieder nach Wien zurückführte. Dort erhielt er dann nach einem nervenaufreibenden Papierkrieg gültige Fahrscheine in die Schweiz und das Experiment FlixBus startete ein zweites Mal – dieses Mal ohne Pannen und Fahrlässigkeit. Einen Tag verspätet, erreichte der gebürtige Slowake sein Zuhause im Mittelland – notabene ohne teuren Wollmantel und Gepäck, nur im dicken Norwegerpullover und Umhängetasche mit seinen Papieren und Geldbörse und wie ein Wunder ohne Kratzer, Blessuren, Schnupfen und Herzrhythmusstörungen. Einen Tag danach reiste er extra zu FlixBus nach Zürich, um sich nach seinem Mantel und Gepäck zu erkundigen. Man verwies den alten Mann an einen Psyeudo-Chef, der ihm eine patzige Antwort gab und von nichts wusste. Das FlixBus-Personal nahm das Anliegen des älteren Kunden nicht wirklich ernst und war auch nicht bestrebt, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die verloren gegangenen Gepäckstücke wieder aufzutreiben. Natürlich gab es auch keine Entschuldigung für das «Stehenlassen» in bitterer Kälte mitten im Nirgendwo – denn bei FlixBus ist der (ältere) Kunde nicht König, sondern ein Abnehmer seiner Dienstleistungen, der gelegentlich zu einem lästigen Übel mutieren kann.

    Wie auch immer – das letzte Wort in dieser Sache ist noch nicht gesprochen respektive geschrieben. Meine sehr couragierte Freundin will FlixBus nämlich auf den Zahn fühlen und wenn es sein muss mit Hilfe eines Konsumentenmagazins. Aber hier fängt die Krux an. Suchen Sie mal eine Ansprechperson bei diesen neuen modernen, digitalen Firmen. Eine Nadel im Heuhaufen zu finden, ist einiges einfacher! Scrollt man durch die Website, so findet man deutsche Pressekontakte, E-Mailadressen und Telefonnummern, aber kein einziger zuverlässiger Zuständiger in der Schweiz, der (gern) weiterhilft. Sämtliche Anliegen werden via digitales Formular auf der Website erledigt. Das bedeutet, einen Monat lang alle zwei Tage ein nerviges Mail mit folgender Message: «Leider sind wir sehr beschäftigt. Haben Sie etwas Geduld, wir melden uns!». Und aus eigener Erfahrung weiss ich, dann hört man nichts mehr, das Ganze versandet, ausser sie wollen Geld von einem. Versucht man es via Telefon, so steht man stundenlang in der Warteschlaufe, muss sich irgendwelche Quatsch-Werbung anhören oder sich von unzumutbarer Musik voll dröhnen lassen – also auch keine zielführende Option.

    Mein Fazit: Ältere und nicht so digitalaffine Menschen haben keine Chance, dass ihr Anliegen Gehör findet, respektive dass sie zu ihrem Recht kommen. Deshalb am besten die Finger von solchen Firmen lassen und die Dienstleistungen der alt bewährten, zuverlässigen KMU in Anspruch nehmen. Da weiss man, was man hat – nämlich Qualität verbunden mit viel Liebe zum Detail und eben der Kunde ist noch König!

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

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