Die Krankheit des Vergessens

    Vortrag über Demenz im Tertianum

    Mit dem steigenden Alter der Menschen nehmen auch Demenzerkrankungen zu. Anlässlich der «Braindays» im Tertianum Salmenpark Rheinfelden berichtete Marc-André Pradervand von der Stiftung Synapsis – Alzheimer Forschung Schweiz AFS über Ursachen, Stufen und Diagnosemöglichkeiten von Demenz und dem aktuellen Stand der Forschung.

    (Bild: ub) Referent Marcel-André Pradervand bei seinem Vortrag über Demenz im Tertianum Salmenpark

    Am 21. September 2018 war Weltalzheimertag. Dass der Vortragssaal im Rheinfelder Wohn- und Pflegezentrum Tertianum Salmenpark bis auf den letzten Platz besetzt war, hatte aber einen anderen Grund: «Umfragen bestätigen, dass es für über 34% der Menschen hierzulande eine der grössten Ängste ist, irgendwann in ihrem Leben an Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz zu erkranken», berichtete Referent Marc-André Pradervand aus seinen Erfahrungen. Er ist Leiter Fundraising der Stiftung Synapsis, Alzheimerforschung Schweiz AFS, die innovative nationale Forschungsprojekte unterstützt, um das Verständnis von Alzheimer in allen Phasen zu vertiefen. Die Fakten und Zahlen, die er dem Publikum lieferte, sind beängstigend. In der Schweiz sind zurzeit 148‘000 Menschen von Demenz betroffen, dazu kommt ihr Umfeld von geschätzten 440‘000 Angehörigen, die sie betreuen. Bis im Jahr 2040 rechnet man mit einer Verdoppelung von Erkrankungen – sofern kein Heilmittel gefunden wird. Es sind mehr Frauen als Männer betroffen – aus dem simplen Grund, dass sie generell älter werden als Männer, und Demenz im Allgemeinen vermehrt im fortgeschrittenen Alter ab 80 Jahren auftritt.

    Starke Wesensveränderung
    Alzheimer ist vor der vaskulären und frontotemporalen Demenz die häufigste Form von Demenz und betrifft ca. 50% bis 60% aller Erkrankten. Ihren Namen hat sie vom deutschen Psychiater Alois Alzheimer, der 1901 in einer Frankfurter Heilanstalt die Patientin Auguste Deter behandelte. Sie wurde von ihrem Ehemann eingeliefert, weil er bei ihr eine starke Wesensveränderung feststellte. Sie war eifersüchtig, konnte einfache Aufgaben im Alltag nicht mehr verrichten und fühlte sich verfolgt. Als sie 1906 starb untersuchte Alzheimer ihr Gehirn und entdeckte darin Eiweiss-Ablagerungen, sogenannte Amyloid Plaques, die als Grund für die Krankheit vermutet wurden. Im Volksmund spricht man dabei von Arterienverkalkung.

    Vergesslich heisst noch lange nicht dement!
    Im normalen Alterungsprozess geht die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit zurück. Eine gewisse Vergesslichkeit ist also ein ganz normales Phänomen. Deshalb handelt es sich auch nicht bei jeder Gedächtnisstörung um eine beginnende Demenz. Für die Abklärung braucht es neben der ganz normalen Anamnese des Hausarztes psychiatrische und neurologische Tests. Bildgebende Verfahren wie MRI und Computertomographie zeigen auf, ob sich im Gehirn eine Krankheit entwickelt. 1975 wurde der Mini-Mental-Status-Test nach Folstein eingeführt. Anhand von verschiedenen Aufgaben, die zeitliche und räumliche Orientierung, Merk- und Erinnerungsfähigkeit sowie Aufmerksamkeit, Sprache und Sprachverständnis umfassen, werden zentrale kognitive Funktionen überprüft. Die Alzheimer Vereinigung Schweiz bietet auf www.memo-info.ch/de/demenz-test/ einen online-Test zur Prüfung des eigenen Gedächtnisses an. Aber auch hier ist die Devise: Wer schlecht abschneidet muss nicht unter Demenz leiden. Präventiv ist jedem Menschen – ganz besonders im Lebensherbst empfohlen, sein Hirn fit zu halten.

    (Bild: Giorgio von Arb) Die Alzheimerforschung läuft in der Schweiz auf Hochtouren

    Sei es mit Lesen, Kreuzworträtseln, Sudokus usw. Wer sein Gedächtnis ständig trainiert, verringert die Gefahr, dement zu werden. Auch allgemein gesundheitsschädigende Faktoren wie übermässiger Nikotin- oder Alkoholgenuss, Diabetes und Herzkreislauferkrankungen können Demenz fördern.

    Schleichender Prozess
    Demenz ist meist eine langsam voranschreitende Erkrankung, die sich über viele Jahre hinauszieht. Betroffene können sich anfänglich noch selber versorgen, aber die Aufnahme von neuen Informationen wird schwierig. In einer nächsten Stufe wird es unmöglich, sich neue Informationen wie Namen noch zu merken. Im Alltag sind nur noch einfache Tätigkeiten möglich. Die Sprache wird floskelhaft. Oft kommt eine Art Verfolgungswahn und Misstrauen gegenüber der Umwelt dazu, und der Tages-Nachtrhythmus ändert sich. Betroffene müssen regelmässig betreut werden. Bei schwerer Demenz sind im kognitiven Bereich nur noch Fragmente vorhanden. Das Erfassen des Wesentlichen ist nicht mehr möglich, die räumliche Orientierung ist völlig aufgehoben, und viele Erkrankte können sich auch nicht mehr richtig artikulieren. Weil Patienten in diesem Stadium sich auch nicht mehr selbständig ernähren, oft Geh- und Schluckstörungen haben, ist eine individuell auf die jeweilige Person zugeschnittene Rundumbetreuung, wie sie das Wohn- und Pflegezentrum Tertianum Salmenpark in Rheinfelden anbietet, unausweichlich.

    Forschung arbeitet auf Hochtouren
    Der Bericht von Marc-André Pradervand über den heutigen Stand der Demenz-Forschung ist ernüchternd. Wohl haben Experten herausgefunden, dass die Ablagerung der sogenannten Beta-Amyloid-Plaques bei Demenzkrankheiten wie Alzheimer vorkommen. Aber rund ein Drittel aller Personen, die solche Plaques im Gehirn haben, leiden wiederum nicht unter Demenz. Die Plaques sind also nur eines von vielen Elementen, die den geistigen Abbau beeinflussen. Umso wichtiger ist es, dass Stiftungen wie Synapsis die Forschung vorantreiben. «Wir stehen heute ungefähr da, wo sich die Krebsforschung vor 25 Jahren befand», meint der Experte. Heilungsmethoden existieren noch keine. Wohl aber medikamentöse Behandlungen und Therapiemöglichkeiten, um die Krankheit zu verlangsamen. Ausserdem bieten verschiedene Anlaufstellen Hilfe für Betroffene und Angehörige (siehe Kasten unten). Auch auf Sozialmedien (z.B. Facebook) findet man verschiedene Selbsthilfegruppen. «Synapsis unterstützt zurzeit rund 28 innovative Forschungsprojekte mit 2,3 Millionen Franken», erläutert Pradervand und ergänzt, «unser Ziel ist es weiterhin, Gelder zu beschaffen, damit wir eine Therapie gegen Alzheimer und andere Demenzerkrankungen finden.»

    ub

    Weitere Informationen auf: www.tertianum.ch

    Das Tertianum in Ihrer Nähe:
    Tertianum Letzipark
    Hohlstrasse 459
    8048 Zürich
    letzipark@tertianum.ch
    Tel. 044 542 27 27

    Tertianum Etzelgut
    Etzelstrasse 14
    8038 Zürich
    etzelgut@tertianum.ch
    Tel. 044 575 93 93


    Alzheimer-Telefon:
    058 058 80 00

    Weiterführende Adressen:
    www.alzheimer-synapsis.ch
    www.alz.ch
    www.alzheimer.ch
    www.memo-info.ch
    www.demenzzuerich.ch
    www.beobachter.ch/gesundheit/krankheit/alzheimer-alzheimer-krankheit-morbus-alzheimer

    Vorheriger ArtikelICARUS – Tierwanderungen von der ISS aus beobachten
    Nächster ArtikelWer profitiert von den neuen Leadership-Techniken?